Rezension „Hören wird überbewertet“ von Cindy Klink

1. August 2018

Kennt ihr diesen moment, wenn ihr ein Buch beginnt und positiv überrascht werden? Ich liebe diese Momente und bin deshalb auch immer offen für Genre und Buchwahl. Natürlich habe auch ich mein Lieblingsgenre, doch gerade diese, ich nenne sie mal Ausreißer, machen doch den Reiz beim Lesen gerade erst aus. So ein besonderes Buch, das man auch irgendwie ganz schlecht in eine Kategorie mit einem anderen Buch stecken könnte, möchte ich euch mit „Hören wird überbewertet“ von Cindy Klink vorstellen,

Worum geht es in Hören wird überbewertet?

Cindy hatte es schon im Kindergarten nicht leicht, denn sie ist anders. Eigentlich gar nicht so anders, denn sie hat Gefühle und Bedürfnisse wie jeder andere. Doch wegen einer genetischen Krankheit verliert sie bis zum dritten Lebenjahr ihr Hörvermögen. Auch wenn ihr Hörgeräte helfen, sind sie doch nur eine Unterstützung und kein Ersatz. Die Kinder hänseln sie und Cindy ist die meiste Zeit alleine und ohne Freunde. Das hält auch bis zu ihrer Teenager Zeit an. Cindy leidet stark darunter und kämpft mit Depressionen. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie den Mut fasst und ihren Gefühlen mithilfe der Gebärdensprache und Musik Ausdruck zu verleihen.

Cindy Klink

Da Cindy kein erfundener Charakter ist, sondern autobiografisch ist, kann ich nicht wirklich etwas zur Entwicklung des Charakters sagen. Allerdings hat die Autorin Cindy sehr echt und sehr nah dargestellt. Ich finde gerade die Beschreibung ihrer Gefühle unglaublich toll und ergreifend. Wenn man bedenkt, was Cindy alles durchmachen musste, von brutal zusammen geschlagen werden bis hin zur Vergewaltigung durch den eigenen Partner ist es wundervoll zu sehen, was für ein toller Mensch dabei hervor kam.Ich konnte teilweise kaum glauben, was ich da laß. Warum tut man das einem Menschen an, der eine Krankheit hat. Es ist ja nicht so, als hätte Cindy sich das ausgesucht, schlecht bzw. ohne Hörgeräte gar nicht hören zu können. Umso schöner fand ich den Wandel, den Cindy durch ihre Leidenschaft zur Musik machte.

„Mobbing ist eine leichte Art, seine Opfer bis an die Grenze zu bringen. Bis zum Rand des Wahnsinns.“

Der Erzählstil und die Geschichte

Hören wird überbewertet ist definitiv anders. Es gibt keine Dialoge, dennoch empfand ich es nicht wirklich als eine Biografie. Es war eher eine Zusammenfassung von einschneidenden Geschehnissen, ohne zu tief in die Erinnerungen einzudringen. Vieles wird nicht einmal direkt angesprochen, sondern nur angeschnitten. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich habe direkt von der ersten Seite an das Buch in einem rutsch durchgelesen. Sofort fühlte ich mich Cindy verbunden und hatte zeitweise das Bedürfnis, die Kinder und Jugendlichen zur Sau zu machen, die Cindy so mies behandelt hatten. Aber, auch wenn das Buch viel von Cindys Schmerzen und Depressionen thematisiert, fand ich es sehr charmant und zeitweise witzig geschrieben. Abschnitte wie „Aber ich bin dankbar, dass ich kein Junge geworden bin, denn sonst hieße ich Kevin. KEVIN!“ brachten mich direkt zum schmunzeln.

Allerdings empfand ich einige Gedankenpfade etwas unzusammenhängend. Da fehlte mir ein wenig die Struktur. So schildert Cindy ihre Gedanken von der Welt und der Existen von Menschen und im nächsten Satz thematisiert sie das erste ihrer Videos auf Facebook. Gerade hier hätte ich mir gewünscht, dass Cindy mehr zu ihren Beweggründen erzählt. Warum hat sie schließlich den Entschluss gefasst und hat die Videos veröffentlicht. Auch im Bezug auf ihren Blogin Form von Tagebucheinträgen, Gedichten und Kurzgeschichten hätte ich mir ein bisschen mehr zu dem gewünscht, was ihr diese Beiträge und die Community gegeben haben. Hatte sie dadurch mehr Rückhalt, oder war es einfach nur ein gutes Gefühl, darüber sprechen zu können.
Toll fand ich aber, dass Cindy Klink direkt Ausschnitte aus ihrem Blog und auch auf Facebook in das Buch eingearbeitet hat.

Einen großen thematischen Anteil hat die Musik in dem Buch. Viele der Videos, die Cindy gedreht hat, erhalten ein eigenes Kapitel, in dem Cindy davon berichtet, wie es zu genau diesem Lied kam und welche Gefühle sie dabei hegte. Die Story dahinter wird meist nur kurz angerissen, zum Beispiel dass sie sich kurz vor diesem Video von ihrem Freund getrennt hat. Wie und warum es zu der Trennung kam, behält Cindy dabei überwiegend für sich. Das finde ich auch gut, denn Cindy offenbart schon sehr viel mit ihren Gefühlen und ich kann sehr gut nachvollziehen, dass sie auch ihre Privatsphäre waren möchte.

„Es hieß doch immer, dass kein Mensch fehlerfrei sei. Und wenn ich ein Fehler bin, warum kann man das nicht dulden und mit mir leben?“

Über die Autorin

Zunächst einmal möchte ich kurz berichtet, wie es zu dieser Rezension kam, denn ich freue mich immer noch wie ein kleines Kind darüber. Cindy kam über meinen Blog auf mich zu und fragte mich, ob ich ihr Buch vorab erhalten möchte und eine ehrliche Rezension darüber schreiben würde. Der Klappentext, den sie mitgeschickt hat, fand ich sehr ansprechend, weshalb ich nicht lange überlegen musste und zugesagt habe. Wie schon etwas weiter oben beschrieben, habe ich das Buch an einem Tag und in nahezu einem Rutsch durchgelesen. Allerdings ist das Buch mit unter 100 Seiten auch nicht sehr lang.

Schon nach ein paar Seiten habe ich kurz unterbrochen, weil mich einfach interessiert hat, wer Cindy eigentlich ist. Also habe ich mal auf ihrem YouTube Channel vorbei geschaut. Wenn man sich die Videos ansieht, versteht man ihre Gefühle und auch die Kraft, die sie aus der Musik zieht umso mehr. Ich würde das Buch Hören wird überbewertet als Hommage an die Musik bezeichnen, was natürlich ein witziger Kontrast zum Buchtitel bietet. Natürlich gibt es auch ohne Hörvermögen die Möglichkeit Musik zu spüren, dennoch würden dabei die so wichtigen Songtexte in den Hintergrund treten.

Fazit

Ein tolles Buch der Selbstreflexion, das einen Bewusst werden lässt, wie gut es doch Menschen ohne Höreinschränkung haben.

4 von 5 Punkte BUCHTIPP
(Was soll das denn heißen? Schau dir dazu mein Bewertungsschema an)

 

 

INFO ZUM BUCH

Autor: Cindy Klink
Verlag: Hirnkost
Erschienen: 01.08.2018
Seiten: 96
Link zum Buch

 

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2 Comments

  • Reply Evy 3. August 2018 at 20:55

    Ich bin heute damit fertiggeworden 🙂 Ich habe das Problem mit der Struktur stärker gewichtet und ja, ich hätte gern etwas zum Thema Social Media gelesen. Oft war mir der Text zu einseitig – zu eingen Themen habe ich ne andere Meinung als die Erzählerin …

    Aber ich finde es schwer, so etwas zu bewerten. Denn dahinter steht ein Mensch. Ein Mensch, der vieles durchgemacht hat und für den ein BUCH ein riesiger Schritt ist. Ich muss nochmal darüber nachdenken 🙂

    • Reply Mona Liest 6. August 2018 at 8:31

      Hallo Evy,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich kann dein Feedback gut verstehe. Ich finde auch, gerade bei autobiografischen Büchern, ist es manchaml schwierig Inhalte zu bewerten. Schließlich kann der Autor nicht verändern, was in seinem Leben geschehen ist. Dennoch kann einem ja die Erzählweise und -Struktur gefallen oder eben nicht.

      Liebe Grüße
      Mona

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