Rezension „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink

17. September 2021
Cover Der Vorleser von Bernhard Schlink

Hin und wieder versuche ich mal Bücher zu lesen, die zur Schullektüre zählen, so auch Der Vorleser von Bernhard Schlink, welches 1995 erschien und 2008 verfilmt wurde. Meine Bewertung und Kritik könnt ihr in dieser Rezension lesen.

Zusammenfassung – Worum geht es in Der Vorleser?

Der 15 Jährige Michael Berg trifft Hanna Schmitz in einem mehr als verletzlichen Moment. Denn er leidet an Gelbsucht und schafft er es fast nicht nach Hause, hätte ihm die Frau, die mehr als doppelt so alt ist wie er, nicht geholfen. Nach einer längeren Genesung will er sich schließlich bedanken und findet auf seltsame Weise eine Verbindung zu der reizbaren und etwas kalten Hanna. Sie wird seine erste Liebe und obwohl so vieles dagegen spricht, treffen sich die beiden immer wieder. Dabei entwickeln sie ein Ritual, das aus Baden, Sex und Vorlesen besteht.
Eines Tages ist Hanna weg. Kein Brief, kein Wort, nichts.

Jahre später trifft Michael sie aus Zufall wieder, doch anders als erwartet. Denn Michael ist inzwischen Jura-Student und soll bei einer Verhandlung beiwohnen, in der Frauen angeklagt sind, die als SS-Wärterinnen in einem Arbeitslager für Juden gearbeitet haben und untätig zusahen, wie diese bei einem Feuer ums Leben kamen. Michael kann nicht glauben, dass Hanna eine der Wärterinnen war und noch dazu Verantwortlich sein soll. Schon gar nicht, weil Michael Hannas Geheimnis kennt und sie deshalb nicht die Verantwortliche gewesen sein kann. Doch Hanna würde lieber ins Gefängnis gehen, als ihr Geheimnis preiszugeben.

Die Charaktere

Michael Berg ist für mich tatsächlich relativ austauschbar. Zumindest in seinen jüngeren Jahren, denn als Student ist er schon um einiges reifer und muss sich viel mit moralischen Fragen und Problemen auseinander setzen. Das hat der Autor Bernhard Schlink aber auch sehr geschickt gelöst, denn dadurch kann sich jeder Mensch in Michael Berg hineinversetzten und sich fragen, wie er an seiner Stelle gehandelt hätte. Würde man ein Geheimnis verraten, um jemanden zu schützen?

Hanna Schmitz dagegen ist eine sehr eigensinnige Frau. Im Verlauf der Geschichte habe ich doch auch ein wenig Verständnis dafür bekommen. Dennoch fand ich sie wenig sympathisch, aber das ist auch für die Geschichte nicht wichtig.

Oft genug habe ich im Lauf meines Lebens getan, wofür ich mich nicht entschieden hatte, und nicht getan, wofür ich mich entschieden hatte.

Michael Berg in Der Vorleser von Bernhard Schlink

Die Geschichte

Ich wusste bei Der Vorleser lange nicht, was für eine Art Buch es ist. Erwartet habe ich eine tragische Liebesgeschichte, umso überraschter war ich, dass es doch viel mehr um Loyalität geht. Natürlich spielt auch das Thema erste Liebe eine Rolle, aber diese wird nicht gerade romantisiert. Auch wenn aus der Sicht von Michael Berg erzählt wird, ist es relativ sachlich. Es wird mit wenigen Dialogen ausgekommen und doch nachvollziehbar erzählt, wie Michael sich in Hanna verliebt und wie ihr plötzliches Verschwinden ihn beschäftigt.

Der zeitliche Sprung bis zur Gerichtsverhandlung war für mich ein wenig abrupt aber wichtig für den Verlauf der Geschichte. Mir hat die Gerichtsverhandlung tatsächlich sehr gut gefallen, aber ich mag auch gerne Serien, die in diese Richtung gehen. Besonders der Zwiespalt, in dem sich Michael befindet, mochte ich sehr gerne. Ihn beschäftigt sehr, dass seiner ersten Liebe Hanna diese grauenvollen Taten im zweiten Weltkrieg vorgeworfen werden und sie offensichtlich daran beteiligt war. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Dialog zwischen Michael und seinem Vater darüber, ob es gerechtfertigt ist, dass Michael Hannas Geheimnis verrät, um sie vor einer schlimmen Verurteilung zu schützen, obwohl Hanna das nicht möchte.

Für mich ist klar die Entwicklung von Michael Berg im Fokus der Geschichte. Dabei gefällt mir, wie wenig es um Schuld und Unschuld geht und mehr um den Prozess der Verarbeitung der Taten.

Der Schreibstil

Bernhard Schlink erzählt die Geschichte von Der Vorleser in einem eher nüchternen Stil. Das ist auch gut so, um genügend Abstand zu der Geschichte zu wahren. Mir hat gut gefallen, dass er ein gutes Maß an Beschreibung und Handlung gehalten hat. Es gab keinen großen Ausschmückungen und auch für große Romantik war kein Platz. Dadurch bekommt der Roman noch einmal eine viel intensivere Stimmung.
Die Sprache, die Bernhard Schlink wählt, ist leicht und gut verständlich. Dadurch hatte ich auch keinerlei Probleme das Buch in wenigen Tagen durchzulesen. Ein wenig hemmend waren die kurzen knappen Sätze. Das erleichtert zwar das Lesen an für sich, schmälert aber das Leseerlebnis ein wenig.

Fazit

Der Vorleser von Bernhard Schlink ist ein brutal ehrlicher Roman um Loyalität und Schuldzuweisungen.

4,0 von 5 Punkte – Buchtipp
(Was soll das denn heißen? Schau dir dazu mein Bewertungsschema an)

INFO ZUM BUCH

Autor: Bernhard Schlink
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: 25. April 1997

Link zum Buch

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